zuvor veröffentlichticht bei Blickpunkt Uni Osnabrück
Am 22. Januar im
„Blue Note“: Jazzkonzert – oder doch Kammermusik? – oder Lesung? Eine
große Jazzcombo mit Sängerin, erweitert durch ein Streichquartett und
einen Sprecher, gestalteten einen unterhaltsamen, aber auch zum
Nachdenken anregenden Abend. Das „Symphonicum Schmitz“ wird geleitet vom
Saxophonisten der Jazzkantine, Heiner Schmitz, der auch die Musik für
das Programm dieses Abends komponiert hat, das den Titel „Sins &
Blessings“ trägt. Der Text dazu stammt von Peter Schanz und thematisiert
die sieben Todsünden der katholischen Theologie. Im katholischen
Katechismus werden sie allerdings nicht als Todsünden, sondern als
Hauptsünden bezeichnet, weil weitere Sünden aus ihnen resultieren.
Melodiöse und monotone Passagen wechseln
sich ab. Dann schrille und laute Klänge von Trompete und Saxophon –
oder tiefe Töne der Bassklarinette. Teilweise erzeugen die Instrumente
eher lärmende Geräusche als wohlklingende Musik. Allen voran der
Kontrabass: er kann wie eine knarrende Tür in einem Hörspiel klingen.
Aber immer wieder schafft es das Ensemble, vom chaotischen schrägen
Durcheinander in ein harmonisch und rhythmisch passendes Zusammenspiel
zurückzufinden.
Schauspieler und Sprecher Franz Dinda
stellt dem Publikum zwischendurch immer wieder Fragen. Zum Teil
unangenehme Fragen, teilweise im Stil von Fragebögen: „Ist es gut , wenn
man stolz ist, Deutscher zu sein? – oder Türke? – oder Europäer? – oder
Atheist?“
Die klassische Besetzung aus Geigen,
Bratsche und Cello spielt stimmig mit der Jazzband zusammen. Auf dem
ruhigen Spiel der Streichinstrumente baut sich rasant ein
gewitterartiger Lärm aus Trommeln und Blasinstrumenten auf – und ist
wieder weg, um sich beim zweiten Mal langsamer zu steigern.
„Bei unserem gestrigen Auftritt gab es
kein Essen!“ Franz Dinda spricht über die Völlerei und über Diäten.
„Ist, wer Völlerei überwindet, nicht der Magersucht schon einen Schritt
näher?“ Er hinterfragt während des gesamten Programms immer wieder
ironisch die sieben Todsünden und findet an ihnen auch positive Aspekte.
Und er fragt, warum andere Dinge, wie beispielsweise Massentierhaltung,
keine Todsünde sind.
Um den Zorn zu illustrieren, gibt
Sängerin Simin Tander hysterisch grunzende, röchelnde Laute von sich.
Stöhnend. Dazu klimpert belanglos das Vibraphon.
„Warum macht die Kirche nicht mit dem
Orgasmus Reklame fürs Jenseits?“ Das ist eine der letzten Fragen an
diesem Abend. Und der Höhepunkt wird akustisch hörbar, in einem Auf und
Ab – laut und leise – verdichten und loslassen – schnell und langsam –
und schneller – alle auf einmal – und lauter – und schneller – hoch –
tief – schnell – aus!
Geschickt leitet Heiner Schmitz nach diesem Ende – nach dem nichts mehr kommen dürfte – zur Zugabe über.
Ein gelungener Abend – nicht aber, um abzuschalten.
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