10. Januar 2017

10 Tipps, wie du elektronische Musik live auf die Bühne bringen kannst

Von Lukas Böhnlein
ursprünglich veröffentlicht am 13.01.2015 auf Backstage Pro



Musikern und Produzenten, die ihre Musik am Computer erschaffen, und allen, die ihre Tracks Spur für Spur als Overdubs aufnehmen - also auch vielen von euch stellt sich irgendwann die Frage: Ich habe zwar gelungene Songs aufgenommen, nur wie bringe ich mein Werk live auf die Bühne? 10 Anregungen findest du in diesem Artikel.

Dr. Arne Bense, Musikproduzent und Musikwissenschaftler an der Universität Osnabrück. Bense forscht im Bereich der elektronischen Musik, Foto: Lukas Böhnlein


Elektronische Musik live spielen. Auf einem Keyboard vielleicht noch möglich, aber was, wenn es ein komplizierteres Arrangement ist? Fünf Keyboarder anheuern? Und wer muss dann den durchgehenden Shaker spielen? – Also doch einfach nur Playback?
Im Gespräch mit dem Musikproduzenten und Musikwissenschaftler Dr. Arne Bense und aus eigenen Erfahrungen des Autors ergaben sich folgende Anregungen, wie du deine elektronische oder vorproduzierte Musik live spielen kannst:

1. Spiele mit deinem Sound

Wenn du rein elektronische Musik machst, werde DJ. Mit Turntables oder dem Laptop kannst du deine Tracks abspielen: je nach Musikrichtung und Geschmack. Achte auf dein Publikum, um immer auf die aktuelle Stimmung zu reagieren und immer den passenden Song parat zu haben. Mach deine Performance abwechslungsreicher, in dem du beispielsweise Hüllkurven oder den Equalizer live veränderst.
Auch Effekte, die du während der Show dazumischst, können deinem Sound live mehr Lebendigkeit einhauchen. Ein weiterer Bonus: Deine Songs unterscheiden sich dadurch ein wenig von den Studio-Versionen, die das Publikum von CD oder aus dem Internet kennt.

2. Arrangiere live

Richtig „live“ wird dein Konzert aber erst, wenn du die Kontrolle über den Ablauf deiner Songs hast. Arne Bense, der selbst mit seinem Duo Stil & Bense elektronische Musik produziert und live auflegt, sagt dazu: „Es gibt verschiedene Programme, herkömmlicherweise Ableton Live oder Traktor, mit denen man bestehende Stücke in Loops zerlegen kann.“ Seit einiger Zeit gibt es eine etwas günstigere Alternative zu Ableton Live: die DAW Bitwig Studio ist derzeit in der Version 1.1 erhältlich.
Welches Werkzeug du verwenden möchtest hängt natürlich von dir und deiner Musik ab. Probiere die Software deiner Wahl am besten erst mal als Demo-Version aus, bevor du dich entscheidest. „Teilweise kann man auch, wen man mit Ableton Live arbeitet, auf die einzelnen Spuren zugreifen und in der Clubsituation dann das ganze Stück nochmal von Null auf Neu arrangieren“, so Bense. Anfang und Ende eines Stückes ist dann nicht mehr festgelegt und als Musiker kannst du in jedem Moment entscheiden, wie es weitergehen soll.
Du kannst deinem Publikum ein einmaliges Erlebnis bieten. Dieser Abend klingt nicht wie der letzte Auftritt und auch nicht wie die CD. „Das Publikum wird das spüren, dass das jetzt plötzlich etwas ist, was aus einer Reaktion zwischen Musiker und Publikum zustande kommt“, sagt der Musikwissenschaftler Bense. „Das ist natürlich nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Ausführenden etwas anderes, das Stück immer mal aus neuen Blickwinkeln zu betrachten.“
Aber ob das Publikum wirklich merkt, was da im Rechner passiert, ist fraglich, solange nur mit Tastatur und Maus hantiert wird. „Man weiß nicht genau, guckt der jetzt seine E-Mails nach oder ist er bei Facebook oder was passiert da eigentlich?“

3. Übernimm die Kontrolle

Aber „man ist ja nicht beschränkt auf den Computer und die Computertastatur. Sondern man kann heutzutage über Bewegung, verschiedene Sensoren etc. Sounds steuern. Es gibt relativ früh schon Experimente mit Datenhandschuhen Musik zu steuern.“ Bense betont auch noch die Möglichkeit mit Spiele-Steuerungen Sounds zu kontrollieren, z.B. mit 'Kinect' oder 'Wii'. Er hält das allerdings live für eine unsichere Angelegenheit. Es gibt aber natürlich auch eine Fülle an Controllern, die eigens fürs Musikmachen angeboten werden. Manche wurden speziell für eine Software entwickelt, andere können universell eingesetzt werden. Prinzipiell lassen sich alle Parameter über einen Controller steuern: Lautstärke, Effekte, Equalizer, Oszillatoren, Tempo usw. Über (anschlagdynamische) Pads können beispielsweise Rhythmen eingespielt oder Loops gestartet werden. Selbst sehr günstige Geräte, natürlich mit überschaubaren Funktionen, eignen sich schon zum Musikmachen.
Übrigens nicht nur live. Auch zum produzieren und komponieren sind solche Hilfsmittel sehr praktisch. Musik machen wird so nicht nur intuitiver, sondern auch für dein Publikum sichtbar.

4. MIDI-Instrumente

Noch mehr Live-Feeling bekommt dein Konzert – welch Überraschung – wenn du live spielst! Das typische „Instrument“ für elektronische Sounds ist zwar das (MIDI) Keyboard, aber warum nicht etwas anderes ausprobieren? Es gibt MIDI Gitarren, E-Drums, MIDI Blaswandler und sogar MIDI Vibraphone…

5. Akustische Instrumente

Besonders, wenn es nicht (ausschließlich) um elektronische Musik geht oder vorproduzierte Stücke live umgesetzt werden sollen: Spiele zusätzlich auch auf (elektro-) akustischen Instrumenten. Falls du ein traditionelles Instrument spielen kannst, dann spiele doch auch darauf! Wenn du es nicht kannst: Dann lerne eins – oder spiele wenigstens Kazoo, das kann jeder.
Programmierte Loops übernehmen das, was du nicht selber spielst: Beispielsweise lässt du Rhythmus, Bass und Harmonien über Ableton Live abspielen, während du dazu auf der Posaune eine Melodie spielst. Denkbar wären natürlich auch mehrere Instrumente.
Wenn Arne Bense mit Stil & Bense auftritt spielt er zusätzlich oft Gitarre: „Dann ist für alle klar, dass man das gerade hier live dazu spielt, weil es ein traditionelles Instrument ist.“

6. Nutze deine Stimme

Noch mehr als mit einem Instrument, kannst du dein Publikum mit deiner Stimme unterhalten und begeistern. Im HipHop ist es ja traditionell üblich, dass ein DJ die Beats auflegt und nur der Rap wirklich live ist. Falls in deiner Musik Rap oder Gesang sehr wichtig ist, besonders viel Wert auf den Inhalt der Texte gelegt wird, verzeiht dir das Publikum vielleicht sogar, wenn der Rest als Playback läuft.

7. Oder doch mit „Live-Band“?

Wenn du keine Lust hast mit Maus oder Controller in einer Software zu arbeiten, wenn dir  immer noch das Live-Feeling fehlt – oder wenn es sich für deine Musik einfach anbietet: Dann suche dir ein paar gute Musiker, arrangiere deine Stücke neu und lasse deine Songs von einer Band spielen. Ob das besser ist? – Geschmackssache! Eine Band kann auch dumm rumstehen, ohne jemanden zu begeistern – wie der DJ, der hinter seinem Laptop verschwindet.

8.  Füge eine weitere Erlebnisebene zur Musik hinzu

Zunehmend verwenden elektronische Acts auch visuelle Medien in ihren Shows. „Da gibt es ganz spannende Formen, beispielsweise, dass etwas, das über einen Beamer auf eine Leinwand projiziert wird auf die Musik reagieren kann,“ sagt Bense.
„Einmal gibt es da Künstler, die live diese Visuals wie ein Instrument spielen können und mit auf der Bühne stehen als Künstler. Und dann gibt es spannende Setups, bei denen automatisiert eine Visualisierung der Musik stattfinden kann. Da gibt es spannende Beispiele, wie man eine weitere Ebene zur Musik hinzufügen kann.“

9. Tanze

Ein weiteres Element: Tänzer können deine Show bestimmt noch aufwerten. Du kannst selbst auf der Bühne tanzen. Du kannst dir Tänzer suchen, die eine Choreographie zu deiner Musik entwickeln – oder du überlässt das Tanzen deinem Publikum.

10. Unterhalte dein Publikum


Egal, wie du nun planst deine Songs von der Festplatte auf die Bühne zu bringen, ob du mit einem Wii Controller herumfuchteln oder sieben Live-Instrumente gleichzeitig spielen möchtest
 Die Show ist wichtig! Rede mit deinen Zuhörern. Überrasche sie. Schau dir zum Beispiel „Dr. Pest“ an, der nicht nur Keyboard bei der Metal Band 'Die Apokalyptischen Reiter' spielt. Keyboarder stehen oft nur im Hintergrund. Er setzt sich aber passend zur Musik in Szene. Davon können sich manche elektronischen Musiker eine Scheibe abschneiden.

 
„Dr. Pest“ von den Apokalyptischen Reitern, Foto: Lukas Böhnlein


Dein Publikum möchte nicht wissen, ob du gerade deinen parametrischen EQ bei 1 Khz um 2 db angehoben hast und auch nicht, dass du gerade einen F#sus2 auf der Gitarre greifst. Nein, es will unterhalten werden! Mit guter Musik und einer unterhaltsamen Show.
Finde für dich den besten Weg deine Musik möglichst unterhaltsam zu präsentieren.

Dein Feedback

Stehst du selbst vor der Frage, wie du deine Songs auf die Bühne bringen kannst? Auf welche kreativen Ideen bist du gekommen? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren.

1 Kommentar:

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